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„AUSSEN NORDDEUTSCH – INNEN HOLLYWOOD DER 1920ER JAHRE"

Interview mit Stephen Perry, Architekt, Restaurator 

 

Herr Perry, Sie haben die aufwändige Restauration des BRAHMS KONTORs durch das Architektenbüro KPW federführend begleitet. Ist das Kontorhaus außergewöhnlich – auch hier in Hamburg, wo wir mit besonderen Denkmälern reicht beschenkt sind?

Stephen Perry: Ja, auf jeden Fall. Im Hamburger Kontext gesehen ist insbesondere der Art déco-Stil im BRAHMS KONTOR auffallend. Denn zur Bauzeit normal war eher die Faszination der Norddeutschen für den Backstein-Expressionis¬mus und die damit verbundene bodenständige Gestaltung. Außen bleibt das BRAHMS KONTOR seinen norddeutschen Wurzeln treu, aber im Inneren eröffnet sich dem Betrachter eine völlig andere Welt: Seitliche Wände aus feuerroten Keramiktafeln, orthogonal verziert durch edle, silbergold-graue horizontale Bänder, an der Decke ein Mosaik in grau-grün-weiß und Gold und ein Treppenaufgang aus geerdeten braunen Klinkern, die sich mit ihren weiß-rot-schwarzen Farbschienen wie ein Teppich vor unseren Augen abheben. Das exotische Design des Art déco mit seinen schwelgenden und experimentierenden Farbmustern blieb Hamburg zum größtenteils fern, stand sie doch für Opulenz und Luxus.  Damit ist das BRAHMS KONTOR nicht nur ein seltenes, sondern auch ein besonders ausgearbeitetes Beispiel dieser kurzen Stilepoche.

Was heißt Art déco und wodurch ist diese Stilrichtung gekennzeichnet?
Stephen Perry: Die Bauzeit des BRAHMS KONTORs lag zwischen dem ersten und zweiten Weltkrieg und damit in einer der bewegtesten Phase des 20. Jahrhunderts. Genau in dieser Zeit vollzieht sich in Europa der Übergang vom naturalistisch geprägten Jugendstil in die kurzlebige Epoche der futuristischen Avantgarde, die wir unter ihrem Sammelbegriff Art déco kennen. Ihre Anregungen zogen die Designer aus allem, auch den ihr entgegenge-setzten Richtungen der Moderne. Namensgeber dieser Stilrichtung ist die Weltausstellung der Dekorativen Künste 1925 in Paris (Exposition International des Arts Décoratifs et Industriels Modernes). Mit kunstvoll angefertigten Einzel¬stücken für Mode und Wohninterieur sorgte die Ausstellung weltweit für Aufsehen und regte zur Nachahmung an. Die Internationalität, Modernität und Nähe zur Industrie waren maßgebliche Treiber dieser Designrichtung. 

Wann war diese Stilrichtung en vogue und warum ging sie zu Ende?
Stephen Perry: Die Art déco-Stilrichtung beeinflusste die zwanziger und dreißiger Jahre des letzten Jahrhunderts. Geprägt ist diese Zeit durch turbulente politische Ereignisse – Weimarer Republik, Wirtschaftsboom, neue Angestellte – so nennt man sie auch die Goldenen Zwanziger.  Und auch der Lebensstil und die Mode waren besonders: Frauen in kurzen Röcken mit Pagenschnitt und Zigarette, Jazz und Charleston, man lebte wild. Der zweite Weltkrieg beendete diesen Stil, der Freizügigkeit, Veränderung und Aufbruch bedeutete.  Und die Stimmung in der unmittelbaren Nachkriegszeit entsprach keinesfalls der eines solchen Luxus. Am ehesten überdauerte der Stil in den USA - vor allem in Hollywood und New York.  Mit dem BRAHMS KONTOR blieb ein Fragment dieser besonderen Gestaltungs¬geschichte für uns in Hamburg erhalten. Das teils denkmalgeschützte BRAHMS KONTOR ist damit ein sehr seltenes und zugleich faszinierendes Dokument dieser einzigartigen und kurzen Stilepoche.

Das BRAHMS KONTOR war Kulisse für einen Hollywood-Film – wie erklären Sie die Faszination der Filmleute für diesen Ort?
Stephen Perry: Die Größe und Perfektion der Innengestaltung suchen ihresgleichen. Ob das schillernde Foyer, die Treppenhäuser oder die denkmalgeschützten ehemaligen Senatorenzimmer, die von der Innenausstattung im Farben- und Formsprache der 1920er Jahre ausgestattet sind – Filmleute lassen sich von der Architektur des BRAHMS KONTORs gerne inspirieren. Nicht nur Hollywoodfilme, sondern auch deutsche Produktionen wie Tatort oder die Verfilmung der Spiegelaffäre wurden hier gedreht. Menschen aus der Film- und Fernsehbranche suchen die Nähe dieser Geschichte atmenden Räume und lassen sich gern vor historischer Kulisse porträtieren.

Das Interview führte Vera Bacchi 2013 anlässlich des Denkmaltages
 

 
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